Huhn Helga gibt nicht auf
Helga war verzweifelt und einsam und suchte sich deshalb Helmut Bessel als Bezugsperson. Foto: fr
Artikel vom: 24.11.2024
Meyenburg (rdr) – Als ein Huhn auf dem Biolandhof Meyenburg krank wurde, fragte der Bauer bei Familie Bessel an, ob sie das Tier bei den anderen Hühnern auf ihrem Hof aufpäppeln würde. Das Paar sagte gerne zu und holte das Huhn ab. Seitdem heißt es Helga. Leider mussten die Bessels feststellen, dass das ohnehin schon kranke Tier von der bestehenden Hühnergruppe nicht akzeptiert, sondern sogar außerordentlich gemobbt wurde.
„Sie durfte nicht essen, nicht trinken, nicht nach unten oder draußen, sie musste ganz außen auf der Sitzstange mit dem Gesicht zur Wand sitzen“, erinnert sich Sabine Bessel an die schlimme erste Zeit für Helga. Also kaufte das Paar einen zweiten, kleinen Stall, und das Huhn zog dort ein. Es erholte sich zwar und wurde gesund, allerdings sei es unglücklich so allein gewesen, berichtet Sabine Bessel.
Im Frühjahr hätte das Paar erneut versucht, Helga in die bestehenden Hühnergruppe zu integrieren, denn das gesamte Federvieh sollte den Garten umgraben. Helga suchte den Anschluss zu den anderen Hühnern, wurde aber immer wieder abgelehnt und vertrieben. „In ihrer Verzweiflung verliebte sie sich daraufhin in meinen Mann“, schmunzelt Sabine Bessel. „Sie saß auf seiner Schulter und gurrte ihm ins Ohr oder saß auf der Fensterbank vor dem Küchenfenster und klopfte an die Scheibe, um ihn rauszulocken.“
Irgendwann waren die übrigen Hühner so alt, dass sie keine Eier mehr legten, und die Bessels gaben sie zu einem anderen Bauernhof, wo sie ihren Lebensabend verbringen durften.
Nur Helga blieb und zog in den großen Stall um. Zwei Tage später zogen sechs 20 Wochen alte Junghennen ein, und Helga blühte regelrecht auf. Sie avancierte quasi zur Königin im Hühnerstall und begann sogar, Eier zu legen. Für das Huhn eine wunderbare Zeit, die abrupt endete, als der Habicht zuschlug und Helgas neue Freundin Hilde erbeutete. Der Habicht kam zwei weitere Male, aber Helga konnte sich jeweils retten.
Vor etwa drei Wochen erlitt das tapfere Huhn dann einen Schlaganfall. „Die anderen Hühnchen saßen im Halbkreis bei ihr“, erinnert sich Sabine Bessel daran, wie sie einen Korb mit Heu packte, um Helga ins Haus zu holen. Sie habe den Korb noch einmal zu den anderen Tieren gestellt und diese seien nacheinander zu ihr gegangen, um sich zu verabschieden. „Es war herzzerreißend. Ihr linkes Bein und der linke Flügel sind seitdem lahm“, berichtet Sabine Bessel, für die es überhaupt nicht in Frage gekommen wäre, Helgas Leben zu beenden.
„Der Tierarzt kam einige Tage lang, und sie erholt sich zusehends. Sie lebte zwischendurch bei uns im Haus und ging vormittags die anderen Hühnchen besuchen“, so die Tierfreundin. Drei davon würden sich als ihre Bodyguards sehen und auf das angeschlagene Tier aufpassen. „Sie lernt jeden Tag besser, auf einem Bein zu hüpfen und kommt schon gut zurecht“, sagt Sabine Bessel. Helga wurde weiter im Haus aufgepäppelt und konnte vor einigen Tagen komplett zu den anderen Hühnern zurückkehren. „Sie schafft es sogar irgendwie, abends auf die Sitzstange zu kommen, um mit den anderen zusammen zu übernachten.“ Und kürzlich habe sie sogar das erste Ei nach ihrem Schlaganfall gelegt, berichtet Sabine Bessel begeistert.
Helga sei ein ganz besonderes Huhn mit einem erstaunlichen Überlebenswillen, befindet die Tierfreundin. „Erst die Krankheit, dann das Mobbing, und die Einsamkeit, die Habichtüberfälle und nun der Schlaganfall – Helga gibt nicht auf!“
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